Hintergrundinfos zur technischen Beschneiung
Schnee aus der Maschine ist richtiger Schnee. Nichts daran ist künstlich. Schneekristalle – wie auch immer sie produziert werden – sind einfach winzig kleine Kristalle gefrorenen Wassers.
Wasser und Luft sonst nichts
Für’s Schneemachen wird Wasser in eine Düse gepumpt, wo es mit Druckluft kollidiert. Die Druckluft zerstäubt den Wasserstrom in winzige Partikel und schießt ihn in die Atmosphäre. Ab hier ist der Prozess der technischen Schneeerzeugung identisch mit dem der Natur: Ist die Luft kalt genug, gefrieren die Wassertröpfchen und fallen zu Boden. Der Unterschied ist, dass das Wasser nicht so viel Zeit zum Gefrieren hat, bevor es auf den Boden trifft.
Was lässt Wasser gefrieren?
Kleiner Grundkurs in der Physik des Schnees
Für Physiker gibt es so etwas wie Kälte gar nicht. Es gibt nur Hitze - mehr Hitze oder weniger. Hitze versucht immer ein Gleichgewicht zu erreichen, also fließt sie von einem Gebiet mit mehr Hitze (“wärmer”) zu einem mit weniger Hitze (“kälter”). Wenn flüssiges Wasser gefriert, gibt das Wasser seine Hitze ab, bis es den Punkt erreicht an dem es kristallisiert. Wir nehmen normalerweise an, dass dies genau bei 0°C geschieht, aber dazu später mehr. Wenn wir aus dem Fenster auf unser Thermometer schauen, sehen wir, was die Meteorologen als Trockenkugeltemperatur bezeichnen. Das gibt uns zwar einen Anhaltspunkt, wie wir uns anzuziehen haben, aber hinsichtlich der Physik gefrierender Wassertropfen vermittelt es nur die halbe Wahrheit. Die relative Luftfeuchte beeinflusst nämlich ebenfalls, wie schnell ein Wassertropfen seine Hitze abgeben kann und “kalt” wird.
Die Art wie der menschliche Körper auf Hitze reagiert veranschaulicht dies: Einen Tag mit 27°C und 95% Luftfeuchte empfindet man als heiß. Das liegt daran, dass unsere Körper durch Schwitzen gekühlt werden – indem sie Feuchtigkeit in die Atmosphäre abgeben. An einem feuchten Tag kann die Luft nicht so viel weitere Feuchtigkeit absorbieren, unsere Körper können ihre Hitze also nicht so schnell loswerden wie an einem Tag mit 32°C aber nur 20% Luftfeuchtigkeit. Das ist der Grund warum wir uns kühler fühlen an einem “wärmeren” Tag. Wenn Leute sagen “es ist nicht die Hitze, es ist die Feuchtigkeit” dann haben sie recht.
Die Geschwindigkeit mit der ein Wassertropfen Hitze in die Atmosphäre entlassen und damit zu Schnee werden kann, wird von der relativen Feuchte in genau derselben Weise beeinflusst. Daher interessiert beim Schneemachen auch die Luftfeuchtigkeit. Ist die Luftfeuchtigkeit extrem niedrig, kann auch bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt Schnee erzeugt werden. Bei hoher Luftfeuchtigkeit benötigt man niedrigere Temperaturen, aber selbst bei 100% Luftfeuchtigkeit kann man bereits bei -2°C mit dem Schneemachen beginnen.
Schneeflocken bilden sich in den Wolken aber nur, wenn dort ein Gefrierkern (Nukleator) vorhanden ist, z.B. ein Staubpartikel, an dem die Phasenumwandlung vom flüssigen in den festen Zustand beginnen kann. Jede Art Gefrierkern hat eine bestimmte Gefriertemperatur. Die höchste Gefriertemperatur hat Eis selbst, nämlich 0°C. Erst wenn man bereits einen kleinen Eiskern im Wassertropfen hat, gefriert dieser Tropfen also bei 0°C.
Die technische Schneeerzeugung nutzt daher Eiskerne als Nukleatoren. Wo aber kommen die her? Um den Prozess zu verstehen, muss man sich lediglich an eine Luftpumpe vorstellen, mit der man einen Fahrradreifen aufpumpt. Beim Pumpen wird diese warm, als Folge der Komprimierung der Luft in der Pumpe. Beim Beschneien findet der umgekehrte Vorgang statt: unter hohem Druck stehende Luft tritt aus einer Düse aus und expandiert. Durch diese Expansion kühlt sie extrem ab – wie eine Gasflasche, mit der man ein Feuerzeug nachfüllt. In diesen Strom extrem kalter Luft werden durch die sogenannten Nukleatordüsen kleine Wassertropfen geleitet, die sofort zu Eis gefrieren und dann als Gefrierkerne für die Wassertropfen aus den übrigen Düsen des Schneeerzeugers dienen.
Ideale Wassertemperatur am Winterberg dank Speichersee
Nachdem das Wasser aus dem Schneeerzeuger austritt, hat die umgebende Luft nur wenige Sekunden Zeit, es zu gefrieren. Je kälter also das Wasser, desto weniger Zeit braucht es zum Gefrieren. Damit hängt die Möglichkeit der Beschneiung auch von der Temperatur des verwendeten Wassers ab. Je kühler das verwendete Wasser, desto weniger Minusgrade werden zum Schneien benötigt. Eine Feuchtkugeltemperatur von etwa -2°C gilt als Grenztemperatur für die Beschneiung, vorausgesetzt, die Wassertemperatur beträgt nicht mehr als 2°C. Das wird am Winterberg im Gegensatz zu anderen Harzer Skigebieten gewährleistet sein, da das Wasser hier aus einem offenen Speichersee im Bereich der Mittelstation der Gondelbahn kommt.
Temperaturen am Winterberg bestens für die Beschneiung geeignet
Dank der Höhenlage und des Mikroklimas am Fuß des Brockens sind auch die Lufttemperaturen (und mit ihnen die Feuchtkugeltemperaturen) hervorragend für die technische Beschneiung geeignet. Die erforderlichen -2°C herrschten in den Wintern 2013/14 bis 2017/18 in Schierke durchschnittlich während 909 Stunden, am Winterberg wegen der größeren Höhenlage während noch mehr Stunden. Während durchschnittlich 421 Stunden war es sogar -4°C kalt. Die berücksichtigten fünf Winter (Zeitraum November bis März) waren gegenüber dem langjährigen Mittel aber um 2,1° zu warm (Durchschnittstemperatur 0,0°C statt -2,1°C wie im Referenzzeitraum 1961-1990) und bilden damit den Zustand ab, der nach den Prognosen der Klimaforscher erst 2040 den Normalfall darstellt Für die Einschneiung der Pisten werden nur 50 Stunden benötigt.
Das Geheimnis erfolgreicher Beschneiung: ausreichend Wasser!
Ob in dieser Zeit ausreichend Schnee produziert werden kann, hängt von der zur Verfügung stehenden Wassermenge ab. Das Verhältnis von Wasser und Schnee liegt bei 1:2,0 bis 1:2,4. Das bedeutet, dass im Mittel aus 1000 Liter Wasser 2,0 bis 2,4 m³ Schnee erzeugt werden. Die am Winterberg geplante Beschneiungsanlage hat eine Kapazität von 200 Liter Wasser pro Sekunde bzw. 720 m³ pro Stunde. Beschneit werden damit Pisten mit einer Fläche von 12,4 Hektar. Für eine Schneedecke von 40 cm Höhe sind also 50.000 m³ Schnee erforderlich. Dazu benötigt man maximal 25.000 m³ Wasser. Die können binnen 35 Stunden zu den Schneeerzeugern gepumpt werden. Zur Verfügung standen in den letzten Jahren durchschnittlich über 900 Stunden und sogar in den besonders milden Wintern 2013/14 und 2015/16, als in Schierke auf Basis des Naturschnees nur ein bzw. zehn Skitage gezählt werden konnten, waren es noch 496 bzw. 790 Stunden. Mit der geplanten Anlage ist das Skigebiet am Winterberg also sowohl gegen einzelne sehr milde Winter als auch gegen die für die nächsten 30 Jahre erwartete allgemeine Erwärmung gewappnet.
Geschlossener Kreislauf sorgt für minimalen Wasserverbrauch
Am Winterberg ist sichergestellt, dass die erforderliche Wassermenge auch jederzeit zur Verfügung steht: das Reservoir bei der Mittelstation fasst 70.000 m³ nutzbarer Wassermenge. Befüllt wird das Reservoir mit Wasser aus der Kalten Bode (mit maximal 25 Liter pro Sekunde). Das entnommene Wasser fließt im Frühjahr nach der Schneeschmelze wieder in die Kalte Bode zurück. Es wird also nicht „verbraucht“ sondern nur vorübergehend in Form von Schnee auf dem Berg zurückgehalten – ähnlich wie das Wasser vieler Harzer Bäche in den Teichen des Harzer Wasserregals. Nur ein geringer Prozentsatz geht bei der Schneeerzeugung durch Verdunstung und Drift im eigentlichen Sinne verloren.
Der tatsächliche Wasserverbrauch ist also marginal und auch die Menge des vorübergehend genutzten Wassers ist gering, setzt man sie zum Wasserangebot am Winterberg in Beziehung. Auf dem Winterberg fallen pro Jahr 1.500 Liter Niederschlag auf den Quadratmeter. Das bedeutet, dass für die Grundbeschneiung nur 13 Prozent des Wassers eingesetzt wird, dass auf der Fläche der technisch beschneiten Pisten selbst als Regen, Graupel oder Schnee vom Himmel kommt. Insgesamt fällt im Einzugsgebiet der Kalten Bode jährlich fast die 400-fache Menge dessen an Niederschlag, was insgesamt für die Beschneiung an Wasser verwendet wird.
Ein Stoff mit besonderen Eigenschaften
Technischer Schnee ist für den modernen Wintersportbetrieb besser geeignet, als Naturschnee. Er ist verlässlicher (und verlässlicher Schnee ist die wichtigste Voraussetzung für den wirtschaftlich auskömmlichen Betrieb eines Skigebietes), leichter zu bearbeiten als so manche natürliche Schneeart, er hält den Beanspruchungen durch die Stahlkanten der Ski und Snowboards besser stand, neigt weniger zum Vereisen und er taut langsamer.
Letzteres hat mit seiner Dichte zu tun. Ein Kubikmeter technischer Schnee wiegt bis zu 480 kg, bei frischem Pulverschnee sind es nur 10 bis 60 kg, Pappschnee kommt auf maximal 150 kg. Die höhere Dichte hat mit der Struktur der Kristalle zu tun. Die Schneesterne in einer Pulverschneedecke halten sich gegenseitig auf Abstand, während die kompakten Körner einer technisch erzeugten Schneedecke dicht an dicht liegen. Je größer aber das Verhältnis zwischen Oberfläche und Volumen eines Körpers, desto stärker ist er Einflüssen wie Regen, Wind und Wärme ausgesetzt. Pulverschnee sackt dann schnell in sich zusammen, erst nasser, gesetzter Altschnee erreicht das spezifische Gewicht von technischem Schnee.
Eine Schneedecke von 40 cm technisch erzeugtem Schnee entspricht daher einer natürlichen Neuschneehöhe von 100 bis 200 cm und eine solche Schneemenge taut im Harz auch bei ungünstiger Witterung nicht so schnell komplett ab.
Energieeffiziente Beschneiungstechnik reduziert Stromverbrauch
Die Produktion technischen Schnees benötigt Energie. Zum einen muss das Wasser mit einem Druck von mindestens 20 bar zu den Schneeerzeugern gepumpt werden, zum anderen ist Druckluft erforderlich. Pumpen und Kompressoren werden mit Strom betrieben. Die Anlage am Winterberg ist auf eine durchschnittliche Leistungsaufnahme von 1.740 kW ausgelegt und der Betrieb ist an durchschnittlich 240 Stunden pro Winter vorgesehen. Das macht in Summe 417.600 Kilowattstunden, die pro Saison für die Beschneiung erforderlich sind.
Um eine Vorstellung von der Dimension dieses Energiebedarfs zu geben, stellen wir diesen Verbrauch in der folgenden Tabelle dem Verbrauch anderer üblicher Freizeit- und Tourismusinfrastrukturen gegenüber. Dabei zeigt sich, dass mit einem sehr geringen Einsatz an Energie eine große Wirkung erzielt wird. Zumal die regionale Wertschöpfung pro Besucher in einem Skigebiet sehr hoch ist und der Betrieb der Anlage nicht öffentlich bezuschusst wird.
Angebot |
Energiebedarf |
Besucherzahl |
Energie/Besuch |
Schneeanlage Winterberg |
417.600 kWh |
50.000 (Plan) |
8,4 kWh |
Öffentliche Sauna |
350.000 kWh |
20.000 |
17,5 kWh |
3***-Hotel mit 50 Betten |
650.000 kWh |
8.200 (Übernachtungen) |
79,0 kWh* |
Eisstadion 6 Monate |
1.300.000 kWh |
30.000 |
43,3 kWh |
Freizeitbad |
11.500.000 kWh |
400.000 |
28,8 kWh |
* pro Nächtigung